Tanger 2

47. Tag, Donnerstag 17. Dezember

Heute treffen wir hier seine Cousine Carol, die in Tanger lebt. Er hat sie nur ein einziges Mal als Zwölfjähriger bei einem Besuch in Alexandria gesehen, woher ein Teil seiner Familie stammt. Sie war damals noch ein Baby.

Eigentlich wollten wir gegen 10 Uhr telefonieren, doch da steht sie auch schon vor dem Tor des Campingplatzes, zusammen mit ihrer Mutter, seiner Tante Huguette, die immer noch in Alexandria lebt und gerade zu Besuch hier ist. Beide haben sich sehr fein gemacht, wir dagegen sind nicht unbedingt repräsentativ in unserer Reisekleidung, aber immerhin ist alles frisch für das Treffen.
Es gibt keine konkreten Plan, wie wir den Tag verbringen werden, und so folgen wir Carols Vorschlag und sitzen am Ende zusammen mit den Hunden, denen das gar nicht geheuer ist, auf der Rückbank ihres PKW, um zur "Corniche" zu gelangen. Doch die Corniche, wo noch vor kurzem Restaurant an Restaurant mit Blick aufs Meer stand, ist über Kilometer eine einzige Baustelle. Alles wurde abgerissen, um danach wieder neu aufgebaut zu werden. Die Boulevards sind breit und mehrspurig, alles neu gestaltet, Palmengärten, neu angepflanzt - hier entsteht eine ganz neue Stadt! Mit welchem Geld? Drogengeld, sagt Carol. Tanger scheint sehr viel davon zu haben, es gibt gigantische neue Hotels und  Prachtbauten, die Autos sehen so aus wie bei uns, Pampersbomber, SUV's und Luxuslimousinen, dazwischen ein paar Taxen - krass! Jedenfalls muss aber jetzt ein neuer Plan her, was tun mit dem Tag? Zur Medina - ja, gerne! Doch es gibt weder Parkplätze, noch scheint ein Gang durch die Ströme von Menschen, die sich durch das Eingangstor drängeln, mit unseren Hunden überhäupt machbar. Wieder ein neuer Plan: Wir fahren weiter und kommen an einem baumbestandenen Park vorbei, dem Club Equestre von Tanger. Er schlägt vor, hier zu bleiben, damit die Hunde auch ein bisschen Auslauf bekommen. Carol weiß, dass es dort auch ein Restaurant gibt, wo wir eine Kleinigkeit essen könnten. Der Vorschlag wird allgemein angenommen und auf dem nun folgenden Spaziergang kann ich einige Araberpferde in ihren Boxen fotografieren. Sehr schöne Tiere.

Mittlerweile ist die Familienzusammenkunft in vollem Gange - Fotos und Erinnerungen werden ausgetauscht. Huguette ist beeindruckt, an wieviele Details er sich noch erinnert von seiner Reise nach Alexandria als Zwölfjähriger. Später wird uns noch Carols Haus vorgeführt, gerade neu gebaut und frisch geputzt, die marokkanische Haushaltshilfe ist noch bei der Arbeit. Das Haus ist zwar bezahlt, es war relativ günstig, auch für Marokko, doch die Besitzurkunde hat sie nie bekommen, weil sich der Bauunternehmer, bevor der gesamte Komplex fertig gestellt wurde, aus dem Staub gemacht hat.

Der nächste Programmpunkt steht an, wieder steigen wir alle in Carols PKW und fahren in ein Fischrestaurant etwas außerhalb der Stadt am Meer. Dort sitzen wir auf der Terrasse in trauter Gesellschaft von vielen Katzen, die Leon sofort zum Ausrasten bringen, er springt in die Luft, bellt und heult, dann auch noch aus Schmerz, weil ich ihm bei seinem irren Tanz versehentlich auf einen Fuß getreten bin. Die Haut ist etwas abgeschürft, bestimmt schmerzhaft. Wir essen dann Seezunge, gegrillt, vier kleine Zungen für 70 Dirham, rund 7 Euro. Sie schmecken wunderbar, sehr frisch und zart.

Zurück in Tanger geht es auf Einkaufstour. Wir brauchen eine Simkarte von Maroc Telecom für unseren mobilen Router und Carol Zutaten für ihre Harira, die traditionelle marokkanische Suppe, die sie als Weihnachtsgeschenk nach Fuengirola in Andalusien mitbringen will, woher ihr Mann stammt. Huguette und ich bleiben mit den Hunden im Auto, obwohl ich mir den Souk schon gerne angeschaut hätte, aber es ist einfach zu hektisch heute. Und außerdem inzwischen wieder dunkel, kein Fotolicht mehr! Carol bringt uns dann wieder zurück zum Campingplatz, wir verabschieden uns sehr herzlich, die beiden sind wirklich sehr nett gewesen!

Wir sind völlig müde, so früh waren wir noch nie im Bett. Die letzten beiden Tage waren schon sehr anstrengend!