Freitag, 28. Juli 2017

Goulmima 4

98. Tag, Samstag 6. Februar

Heute findet der wöchentliche große Souk von Goulmima statt, etwa ein Kilometer außerhalb der Stadt, meint Fatiha. Er ist erkältungshalber angeschlagen und bleibt lieber bei den Hunden am Bus. Also mache ich mich mit meiner Kamera allein auf den Weg. Ein Kilometer kann schon lang sein, es ist wohl auch mehr, vermute ich.





Auf dem Souk ist es dann ziemlich laut: die Marktschreier verstärken ihr Geschrei über Lautsprecher, dazu kommt das Knattern der Mopeds und Dockers, das Geblöke der Schafe und das allgemeine Stimmengewirr. Aber es ist allemal interessant, sehr bunt, quirlig und lebendig! Ich mache kleine Videos mit "versteckter" Kamera und hoffe so etwas mehr von der Atmosphäre einzufangen als mit Standphotos.













Auch Fatihah hat heute auf dem Souk eingekauft - abends probieren wir ihre auf Berberart zubereiteten frischen Sardinen mit Koriander und Zitrone, köstlich! Sie stammen aus dem Atlantik bei Agadir und sind über Nacht hierhin transportiert worden. Eine Strecke von über 600 Kilometern, da waren sie sicher die ganze Nacht unterwegs!






Donnerstag, 27. Juli 2017

Goulmima 3

97. Tag, Freitag 5. Februar

Die Musik gestern wurde anlässlich einer Hochzeit gespielt, meint Fatihah - aber das hatten wir auch schon vermutet. Schade, es wäre bestimmt interessant gewesen zuzuschauen oder gar etwas mitzufeiern!

Heute ist Henna-Tag! Die Duschen hier sind heiß, haben genug Wasser und einen guten großen Ablfluss, um das Pulver hinterher wieder auszuwaschen. Mit meinen Schals, die ich mir dann um die Haarpackung wickele, könnte ich glatt als Berber-Frau durchgehen - Scherz! Aber ich falle damit hier nicht so sehr auf, wie ich zuhause auffallen würde. Jedenfalls spaziere ich derart verkleidet zusammen mit ihm und den Hunden in die Palmeraie. Die ist hier wieder sehr schön, grün, ganz ohne Mauern, gepflegt und fast ohne Müll! Auch er ist sehr angetan. Nur am Ende, Farah und Leon sind schon etwas vorgelaufen, passiert noch ein kleines Malheur: Wir nähern uns ein paar Häusern, und als ich diese bemerke und Leon zurückrufen will, ist es schon zu spät: Er hat eine Katze entdeckt und rast hinterher, die Katze verschwindet in einem der Häuser und Leon springt mit Schwung auf ein niedriges Dach und ist damit schon fast im Haus! Hunde im Haus - das geht hier ja gar nicht, sehr peinlich! Eine Nachbarin gestikuliert und ruft, ja, klar - wir rufen auch und siehe da: der passionierte Katzenjäger macht tatsächlich kehrt und kommt zu uns zurück. Das war ihm wahrscheinlich auch nicht ganz geheuer!

Fantastische Gegend hier, prima Freiflächen zum Laufen, alles sieht hübsch aus, grün, da wohnen bestimmt jede Menge Langohren! Aber hallo, was ist das - die Todfeindin! Läuft da so frech über den Weg und will schon wieder verschwinden - nicht mit mir! Gleich hab ich sie! Wo ist sie hin? Hinterher! Nein, oje, hier kenn ich mich ja gar nicht aus, das ist unheimlich, alles fremd, sind hier Menschen? - Überall Geschrei!  Ich ziehe mich besser mal zurück - flöt... ich komme ja schon...



Für mich folgt noch einmal eine ausgiebige Dusche mit Henna Auswaschen und danach gehe ich beschwingt in frischen Sachen, duftend und sehr schön rot gefärbt mittels pakistanischem Henna mit Oud-Duft in die Stadt, um noch einmal Viande hachée für den Klassiker Spaghetti Bolognese einzukaufen. In den Nebenstraßen, da wo die Metzger ihre Läden haben und die Gemüsebauern ihre Marktstände, findet ein kleiner Souk statt. Marktschreier preisen ihre Ware, das sind überwiegend Haushaltswaren und Textilien, und die Frauen treffen sich hier, prüfen die Waren und kaufen ein.
Zwei Metzgerläden sind zwar geöffnet, doch es ist niemand darin, der mir etwas verkaufen würde. Ein Band läuft mit schöner meditativer Musik, gesungene Suren, in einem der beiden Läden. Vielleicht, weil Freitag ist. Vor dem anderen Laden stehen zwei Männer, sie wollen mir behilflich sein. Einer holt sein Mobiltelefon aus der Tasche und ruft damit den Metzger an. Der kommt dann auch nach einer Weile etwas außer Atem auf seinem Fahrrad angeradelt und verkauft mir das gewünschte frisch durch den Wolf gedrehte Hackfleisch. Auch Einkaufen in Marokko ist anders...







Abends REGNET es - aber nur ganz leicht. Sehr ungewohnt!



Sonntag, 23. Juli 2017

Goulmima 2

96. Tag, Donnerstag 4. Februar

Vormittags kehre ich zurück in die Seitenstraßen, wo wir gestern waren, um dort Gemüse und Viande Hachée einzukaufen. Es ist fast nicht zu beschreiben, wie ich mich dabei fühle und was ich sehe. Einerseits ist es völlig normal, ich gehe einkaufen, wie andere Frauen oder hier in Marokko oft auch Männer es tun, ganz selbstverständlich, aber die Szenerie ist so verschieden von zu Hause: Händler, die mit ihrer Ware - Möhren, Zucchini, Erbsen, Bohnen, Tomaten, Mandarinen usw.- auf dem Bürgersteig sitzen und das von den Kunden in Plastikschüsseln gesammelte Gemüse auf eine altertümliche Waage legen und dann dafür einen lächerlich geringen Preis verlangen. Oder die Fleischer: es gibt Rinder- und Schafsmetzger und Geflügel- und Eiermetzger. Die Rinderschenkel oder andere große Teile hängen an riesigen Haken in der frischen Luft, bzw. in der staubigen Straßenluft.  Da, wo ich heute eingekauft habe, saßen bestimmt zehn oder fünfzehn Wespen auf dem Fleisch und knabberten kleine Löcher hinein. (Oft gibt es aber inzwischen auch Kühltruhen oder das Fleisch ist zum Schutz gegen Ungeziefer in weiße Tücher gehüllt). Aber so oder so: es schmeckt wunderbar, ist sicher ohne Anabolika, Antibiotika oder ohne nachträglichen Wasserzusatz. Es sollte halt gut durchgegart werden, Steaks medium rare sind eher nicht zu empfehlen - aber Steaks findet man hier sowieso nicht. Das Seltsame ist, ich staune immer noch über das Fremde, Andere, aber bewege mich gleichzeitig ganz selbstverständlich darin. Wohl wissend, dass ich meinerseits, oder wir unterwegs mit den Hunden, auch sehr exotisch wirken auf die Menschen hier.

Der Mittagsspaziergang mit den Hunden führt mich zum alten Ksar Goulmima in den Palmengärten. Ich bin eher zufällig hierhin gegangen und auch nicht darauf vorbereitet, was mich hier erwartet, als mich ein jüngerer Mann anspricht und mir eine Führung durch den Ksar anbietet. Nach kurzem Überlegen nehme ich sein Angebot an. Der Ksar ist alt, aber noch vollständig bewohnt. Lediglich vierzig Lehmhäuser sind bei den letzten heftigen Regenfällen zerstört worden. Ohne Omar, meinen Fremdenführer, wäre ich im Gewirr der engen Gassen und überdachten Wege sofort verloren gewesen, aber so folge ich ihm vertrauensvoll. Er zeigt und erklärt und hilft nebenbei noch, allzu neugierige Kinder auf Abstand zu halten, damit Farah nicht in Bedrängnis gerät.





Am verblüffendsten für mich bei dieser Besichtigung ist der Platz, der zwischen dem Ksar und der Palmeraie liegt. Dort stehen kleine magere Kühe und Esel jeweils abgetrennt in kleinen von Lehmmauern begrenzten Vierecken und kauen auf dem frischen Grün, welches die Frauen aus den Palmengärten geholt haben. Jetzt sitzen sie hier zusammen, erzählen, hüten ihre Tiere oder waschen ihre Wäsche in dem kanalisierten Bach, der in sieben Kilometern Entfernung entspringt und der immer Wasser führt, selbst in Jahren wie diesen, in denen es noch gar nicht geregnet hat.





Im weiteren Verlauf wird er zur Bewässerung der Gärten genutzt. Dorthin führt mich Omar dann auch noch, schön für die Hunde und auch für mich, ich liebe Spaziergänge durch gepflegte Palmengärten. Der große Fluss, Oued Gheris, der die Palmeraie begrenzt, ist nahezu ausgetrocknet und in seinem weißen Kieselbett hat sich ein kleines Rudel wildlebender Hunde zusammengetan. Die Welpen versuchen Freundschaft mit Farah und Leon zu schließen, aber ich weiß nicht, wie ihre Mutter auf die fremden Hunde reagieren wird, deshalb verscheuchen wir sie lieber, Omar hilft mir wieder dabei. Er arbeitet hier als Fremdenführer, hat aber Geschichte studiert, mit dem Ziel, Lehrer zu werden. Doch er bekommt keine Stelle - das große Problem Marokkos sei die Korruption, meint er. Ähnliches haben wir auch schon von einem studierten Juristen gehört, der aber auch keine Arbeitserlaubnis bekommen hat. Ich füge hinzu, dass Marokko noch ein weiteres Problem hat - der Müll, fragt er? Und berichtet, dass die Regierung in diesem Jahr die Produktion von Plastiktüten verboten hat. Wie gut, es tut sich etwas in Sachen Müll, das haben wir auch schon bemerkt.








Am Ende der Tour gebe ich ihm 200 Dirham für die gute und interessante Führung. Das ist sicher nicht zu viel dafür, er scheint sehr zufrieden - wir hatten am Anfang keinen Preis ausgemacht.

Abends bestellen wir Brochettes de Viande von Fatihah. Man hört in der Stadt Musik und Trommeln, ich bin neugierig und möchte mir das gerne anschauen. Doch unser Platz ist wieder verschlossen, und weil er wegen der Abendkälte im Bus zurückgeblieben ist, unternehme ich allein auch keine großen Anstrengungen, um Fatihah aus ihrem Kämmerchen zu holen, damit sie mir aufschließt.




 



Donnerstag, 20. Juli 2017

Source Bleue de Meski - Errachidia - Goulmima

95. Tag, Mittwoch 3. Februar

Eigentlich wollen wir nur einmal schauen - in Momos und Sufiyans Berber-Laden. Wir könnten einen kleine Läufer für unseren Tisch gebrauchen, anstelle des hässlichen Geschirrtuchs, welches wir als Tischdecke verwenden. Letztendlich kommen wir dann mit einem hübschen Tischläufer, einem kleine Teppich für den Düdo und einem großen Teppich für das Bett anstelle der Wolldecke aus Ouzoud wieder aus Momos Laden heraus. 1500 Dirham für alles zusammen. Alle sind glücklich...

In Errachidia, einer großen Stadt für hiesige Verhältnisse, kaufen wir in einem Acima Supermarkt ein. Alkohol gibt es nicht, aber sonst fast alles. Beinahe hätte er sogar noch einen Heizstrahler für 150 Dirham gekauft, aber der saugt im Betrieb 2000 Watt, das ist ein bisschen viel und würde einige Camping-Stromnetze hier zusammenbrechen lassen.

In einem öffentlichen Park hier nutzen wir die Gelegenheit für einen Hundespaziergang - das ist eine gute Idee, denn danach kommt nur noch eine staubige steinige Wüste. Doch nach etwa sechzig Kilometern führt die Straße um eine Kurve in ein Tal, eine Palmenoase mitten im Nichts: Goulmima!
Wir steuern den Camping "Les Tamaris chez Michelle" an, und der ist dann wie versprochen sehr ordentlich und gepflegt, geführt von einer Französin, Michelle eben.







Abends spazieren er & ich über die Hauptstraße: es ist viel los hier, alle Welt sitzt in Straßencafés oder flaniert oder fährt mit dem Fahrrad oder Roller durch die Stadt. Für uns wird es erst richtig spannend, als wir uns in das Gewimmel der Seitenstraßen vorwagen. Ein Geschäft neben dem anderen, für Kleidung, Möbel oder Schuhe, es gibt Friseure, kleine Lebensmittelläden, ein Uhrengeschäft - winzig, aber mindestens drei Kunden drängeln sich darin - und natürlich Obst, Gemüse, Fleisch in Läden oder direkt an der Straße. Sehr lebendig und wieder ganz anders als in der Wüste, in Tazzarine oder zuletzt in Tissirt.

Als wir zurück zm Camping kommen, ist das Tor schon geschlossen, wir müssen schellen. Aber Fatihah, die marokkanische Mitarbeiterin von Michelle, öffnet uns und so können wir die Nacht im Bus verbringen, zusammen mit den Hunden, die über unsere Rückkehr sehr erfreut sind.




Mittwoch, 19. Juli 2017

Camping Tissirt - Source Bleue de Meski

94. Tag, Dienstag 2. Februar

Morgens ist meine Stimmung noch immer nicht viel besser. Ich glaube, es liegt an der Enge des Tals: nur wenig Himmel, kein weiter Horizont wie in der Wüste oder am Meer! Auch er will nicht mehr bleiben, es gibt hier außer dem schönen Campingplatz und den Palmengärten fast nichts, ein paar Häuser entlang der Straße, das war es.... Also Aufbruch, kurzentschlossen.

Und auch wenn wir nicht vorhaben, auf dem Camping Municipal de Source Bleue de Meski zu bleiben, anschauen wollen wir uns diesen Ort trotzdem, es soll sich lohnen. Doch dann werden wir von Sofiyan und seinem Bruder Momo, die dort einen Berber Souvenir Laden betreiben so nett und dann auch noch auf Deutsch empfangen - verblüffend, wie gut sie Deutsch sprechen, ohne je in Deutschland gewesen zu sein oder auch nur eine Schule besucht zu haben -  und zu einem Tee eingeladen, dass wir beschließen zu bleiben, vielleicht einen Tag, vielleicht länger. Viele Katzen, die hier leben, sollen die Hunde endlich desensibilisiern. Frommer Wunsch! Und viele Marokkaner kommen zum Picknick her, auch sie sollen die Hunde zur Gelassenheit erziehen. Dann stellt sich heraus, dass die Toiletten ziemlich übel und verdreckt sind - schon ist der Platz doch nicht mehr ganz so gut, und es ist klar, morgen geht es weiter. Aber zum Abendessen bekomme ich noch eine Tajine de Poulet, von Momos Mutter zubereitet und zum Bus gebracht. Sie schmeckt lecker, würziger als die letzten Tajenes. Aber auf Dauer ist das Angebot hier trotzdem etwas eintönig.