Dienstag, 30. Mai 2017

Imi N'Ifri - Ouarzazate (über den Hohen Atlas)


63. Tag, Samstag 2. Januar

So, heute soll es sein, wir überqueren das Atlasgebirge, und zwar nicht über eine der großen Passtraßen, Tizi N'Tichka oder Tizi N'Test, sondern über eine kleine durchlöcherte Straße mit drei Passhöhen über 2200 Meter. Wir sind darauf vorbereitet, dass es nicht einfach werden wird, aber die grandiose Landsachaft wird uns entschädigen.

Löcher in der Straße? Das ist noch untertrieben, oft fehlt der Belag komplett und die Straße wird zur steinigen Piste. Ich bin total angespannt - wird es gutgehen, der Düdo alles ohne Panne mitmachen - aber andererseits bin ich doch zuversichtlich und kann mir auch keine weiteren Gedanken dazu machen, weil ich ununterbrochen fotografieren muss. Wir halten (wie wir später feststellen) an dem einzig möglichen Stellplatz auf dieser Bergstrecke von etwa 100 Kilometer Länge mit anschließend noch einmal 50 Kilometern Hochebene abwärts nach Ouarzazate. Vom Stellplatz aus führt ein Eselspfad in die Landschaft und Farah und Leon laufen hier frei im Hohen Atlas! Leon wagt eine kleine Ausreißeskapade, aber nicht allzu schlimm.




















Unterwegs versuche ich immer wieder hochzurechnen: Wenn wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 bis 30 Stundenkilometern die Berge hochkraxeln, wann können wir dann in Ouarzazate ankommen? Es könnte wieder knapp werden.

In einem Tal mit einem kleinen Fluss führt eine Brücke nach rechts, aber wir fahren weiter geradeaus den Fluss entlang. Und, Erleichterung, die Straße ist hier neu und gut, fester Belag, keine Löcher. Wir gelangen in ein Dorf, die Menschen auf der Straße starren uns ungläubig hinterher - und dann wissen wir auch warum: Ende der Straße - hier geht nichts mehr! 'Nach Ouarzazate? - Nein hier nicht'. Wir müssen zurück. 'Wie weit?' Ungefähr 20 Kilometer, bis zu der Brücke, wo wir hätten abbiegen müssen aber weiter geradeaus gefahren sind. Wir müssen also wenden, ich weise ihn ein, es klappt sogar ganz gut, heute. Und dann geht es wieder zurück über die sehr gute Straße, die das Navi, welches ich jetzt erst einschalte, noch gar nicht kennt, so neu ist sie. Es sind dann doch nur etwa zehn Kilometer, die wir zurück fahren, aber der Umweg lässt meine Hochrechnungen bezüglich der Ankunft in Ouarzazate vor Einbruch der Dunkelheit noch unwahrscheinlicher werden. Dann fahren wir über die Brücke auf die andere Seite des Flusses und finden uns wieder auf unserer Löcher-Piste quer über den Atlas, hier unten am Fluss noch schlimmer als vorher. Er fährt jetzt so zügig wie es eben geht, Pausen werden nicht mehr eingelegt. Der Gedanke, die Nacht auf 2000 Meter Höhe bei eisigen Temperaturen irgendwo am Straßenrand verbringen zu müssen, wo auch unsere Heizungen nicht mehr funktionieren würden, weil sie nur für ca. 1000 Meter Höhe ausgelegt sind, ist nicht wirklich verlockend.












Aber die Landschaft ist weiterhin faszinierend: Mineralien färben das Gestein rot, grün, beige und braun - die Schichten  in den Felsen am Straßenrand sind scharf gegeneinander abgesetzt - ich fühle mich der Entstehung der Erde ganz nah. Die wenigen Dörfer, die an der Strecke liegen, sind wie Chamäleons in die Landschaft eingebettet. Das Baumaterial, die Steine, stammen natürlich aus der Gegend, in der die Dörfer erbaut werden. Die Menschen leben hier als Bauern mit ihren Ziegen, Hühnern und Eseln und in den etwas fruchtbareren Tälern vom Ackerbau.






Der Düdo und sein Fahrer leisten einiges auf dieser Strecke, und irgendwann haben wir dann auch den dritten Pass überquert und können auf die Hochebene schauen, auf der Ouarzazate liegt. Es ist noch hell, Nachmittag erst und die Straße führ jetzt geradewegs hinab, keine Serpentinen mehr, keine tiefen Schlaglöcher - so fliegt der Düdo geradezu dahin, 90 Stundenkilometer bergab. Ich merke, jetzt hat er es auch eilig.




Wir erreichen die Stadt und schon beim ersten Kreisverkehr sehen wir ein Hinweisschild: Camping Municipal. Das ist genau der Platz, auf den wir wollten! Von hier machen wir mit den Hunden noch einenn Spaziergang in die "Großstadt", verglichen mit Ouzoud. Sie erscheint großzügig angelegt, sauber - und es gibt wenige Katzen! In der Nähe des Campingplatzes allerdings einige streunende Hunde.

Später möchte er nochmals die nächtliche Stadt, diesmal ohne Hunde, erkunden. Müde, wie wir schon sind, wandern wir die Avenue Mohammed VI entlang, vorbei an der Kasbah Taorit, der Altstadt und am Quartier Artisanale mit jeder Menge verführerisch schöner Kelims. Doch er widersteht - für heute jedenfalls. Irgendwann fallen wir dann auch ins Bett. Und ich bin absolut glücklich und stolz, dass wir, der Düdo und er, diesen Tag so toll geschafft haben!







Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen