Montag, 5. Juni 2017

Agdz 3

66. Tag, Donnerstag 5. Januar

So, heute muss er aber wirklich arbeiten, der Druck wächst und macht sich wie gewohnt Luft bei wem wohl? Naja, ist nicht ganz so schlimm, aber ich verziehe mich lieber mit den Hunden in die Palmeraie und laufe dort bis zum Drâa Fluss. Der ist allerdings im Moment komplett ausgetrocknet und wird angeblich erst im März vom Ouarzazate-Stausee wieder befüllt. Leon nutzt die Gelegenheit, trockenen Fußes das andere Ufer zu erkunden. Ich hoffe, er hat kein Lamm im Visier, ansonsten kann hier eigentlich nichts passieren, es gibt weit und breit keine Straßen mit Autoverkehr. Leon ist jedenfalls eine ganze Weile außer Sicht, dann kommt er aber ziemlich hechelnd und außer Atem wieder zurück gerannt. Ich führe ihn in den Schatten eines Strauches, gebe ihm zu trinken und eine Belohnung, weil er letztendlich auf mein Pfeifen hin zurück gekommen ist.









Er hat in der Zwischenzeit gearbeitet und der Entwurf ist sehr gut geworden, entsprechend ist die Stimmung wieder bestens. Jetzt kann er sich auch ums Wesentliche kümmern, das ist in diesem Fall der in Ceuta zerbeulte marokkanische Gepäckträger. Mohamed Ait el Caïd hat einen Metallarbeiter vermittelt, der den Träger abbaut, und ihn ausbeulen, begradigen und verstärken wird. Dazu wird er auch noch einen neuen Anstrich bekommen.

Ich schließe mich einer Führung durch die Kasbah an, das habe ich zwar beim letzten Aufenthalt hier auch schon getan, aber diesmal wird sie von Gaelle, der Französin, die mit ihrem Mann Aziz den Campingplatz betreut, durchgeführt, und dann auch noch auf Deutsch! Interessant, "unsere" Kasbah war vor 150 Jahren eigentlich ein Gästehaus der darüber liegenden eigentlichen Kasbah, ist dann aber auch von der größer werdenden Familie bezogen worden. Gaelle beschreibt die alten sozialen Strukturen innerhalb der Kasbah. So erledigen die Frauen zwischen zwanzig und sechzig Jahren reihum die anfallenden Arbeiten wie Kochen, Tee zubereiten, Gäste bewirten und andere Hausarbeit für jeweils eine Woche, danach haben sie eine Woche frei um eigene Kontakte zu Freunden oder der Ursprungsfamilie zu pflegen. Ältere Frauen werden nicht mehr für die Hausarbeit herangezogen, hüten aber noch die Kinder der Großfamilie. Die etwa zweihundert Personen, die in der Kasbah leben, wohnen hier nach einem ausgeklügelten System: Ein junges kinderloses Ehepaar wohnt in einem kleinen Zimmer, vielleicht auch noch mit einem oder zwei kleinen Kindern. Wenn weitere Kinder dazu kommen, ziehen sie in ein größeres Zimmer um, wo sie dann mit den Kindern bis sieben Jahren zusammenleben. Ältere Kinder wohnen dann bis zum Alter von zwölf Jahren alle zusammen in einem Gemeinschaftsraum, danach werden Mädchen und Jungen getrennt. Wenn das Elternpaar dann keine kleinen Kinder mehr hat, zieht es wieder zurück in ein kleineres Zimmer - so werden die Räume immer optimal genutzt. Die Gemeinschafts- und Gästeräume der Kasbah sind dann nochmals nach Geschlechtern getrennt - es wäre sehr unhöflich, wenn ein Mann die Frauenräume betreten würde. Auch die Tiere leben innerhalb der Kasbah, man bringt ihnen das Futter hierhin und nicht die Tiere nach draußen zum Grasen. Auf diese Weise kann das knappe Futter natürlich besser kontrolliert werden. Durch die trockene Luft trocknet auch der Dung sehr schnell und riecht kaum, sagt Gaelle. Genauso durchdacht wie das Wohnsystem ist die Jahrhunderte alte Bauart mit den Lehmziegeln, die Verschachtelung der Räume ineinander, die Gruppierung um den Innenhof, die unterschiedlich zu öffnenden Fenster je nach Temperatur und Jahreszeit und die Klimatisierung insgesamt. Die Bauart mit Lehmziegeln wird heute in Marokko kaum mehr angewandt, stattdessen wird billiger Beton benutzt, der natürlich überhaupt keine klimaregulierenden Eigenschaften besitzt. Die alte Methode ist schon sehr aufwändig und auch pflegebedürftig. Und in Jahren mit starken Regenfällen nach einer langen Trockenperiode kann der Lehm praktisch weggewaschen werden, wie auch bei unserer Kasbah geschehen. (Zur Geschichte der Restaurierung hier ein interessanter Link zum Lehmexpress) Das Material für den Bau allerdings liegt sozusagen auf der Straße: Lehm wird angefeuchtet, in Formen gepresst und dann in der Sonne getrocknet. Fertig ist der Lehmziegel. Gebrannt wird nichts, aus dem Grund, weil es hier dafür einfach nicht genug Brennmaterial gibt.















Es wird schon langsam dunkel, als ich nach beendeter Führung nochmals mit den Hunden in die Palmeraie spaziere. Unterwegs macht sich eine Horde von kleinen Kindern einen Spaß daraus, hinter uns her zu rennen und die Hunde anzubellen, was Farah natürlich zunehmend nervös macht. Mit Zeichensprache versuche ich, die Kinder davon abzuhalten. Farah bellt und springt (angeleint) auf sie zu, was die Kinder erst recht lustig finden. Nicht gut, vor allem, was Farahs weiteren Umgang mit kleinen Kindern angeht!









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