Sonntag, 23. Juli 2017

Goulmima 2

96. Tag, Donnerstag 4. Februar

Vormittags kehre ich zurück in die Seitenstraßen, wo wir gestern waren, um dort Gemüse und Viande Hachée einzukaufen. Es ist fast nicht zu beschreiben, wie ich mich dabei fühle und was ich sehe. Einerseits ist es völlig normal, ich gehe einkaufen, wie andere Frauen oder hier in Marokko oft auch Männer es tun, ganz selbstverständlich, aber die Szenerie ist so verschieden von zu Hause: Händler, die mit ihrer Ware - Möhren, Zucchini, Erbsen, Bohnen, Tomaten, Mandarinen usw.- auf dem Bürgersteig sitzen und das von den Kunden in Plastikschüsseln gesammelte Gemüse auf eine altertümliche Waage legen und dann dafür einen lächerlich geringen Preis verlangen. Oder die Fleischer: es gibt Rinder- und Schafsmetzger und Geflügel- und Eiermetzger. Die Rinderschenkel oder andere große Teile hängen an riesigen Haken in der frischen Luft, bzw. in der staubigen Straßenluft.  Da, wo ich heute eingekauft habe, saßen bestimmt zehn oder fünfzehn Wespen auf dem Fleisch und knabberten kleine Löcher hinein. (Oft gibt es aber inzwischen auch Kühltruhen oder das Fleisch ist zum Schutz gegen Ungeziefer in weiße Tücher gehüllt). Aber so oder so: es schmeckt wunderbar, ist sicher ohne Anabolika, Antibiotika oder ohne nachträglichen Wasserzusatz. Es sollte halt gut durchgegart werden, Steaks medium rare sind eher nicht zu empfehlen - aber Steaks findet man hier sowieso nicht. Das Seltsame ist, ich staune immer noch über das Fremde, Andere, aber bewege mich gleichzeitig ganz selbstverständlich darin. Wohl wissend, dass ich meinerseits, oder wir unterwegs mit den Hunden, auch sehr exotisch wirken auf die Menschen hier.

Der Mittagsspaziergang mit den Hunden führt mich zum alten Ksar Goulmima in den Palmengärten. Ich bin eher zufällig hierhin gegangen und auch nicht darauf vorbereitet, was mich hier erwartet, als mich ein jüngerer Mann anspricht und mir eine Führung durch den Ksar anbietet. Nach kurzem Überlegen nehme ich sein Angebot an. Der Ksar ist alt, aber noch vollständig bewohnt. Lediglich vierzig Lehmhäuser sind bei den letzten heftigen Regenfällen zerstört worden. Ohne Omar, meinen Fremdenführer, wäre ich im Gewirr der engen Gassen und überdachten Wege sofort verloren gewesen, aber so folge ich ihm vertrauensvoll. Er zeigt und erklärt und hilft nebenbei noch, allzu neugierige Kinder auf Abstand zu halten, damit Farah nicht in Bedrängnis gerät.





Am verblüffendsten für mich bei dieser Besichtigung ist der Platz, der zwischen dem Ksar und der Palmeraie liegt. Dort stehen kleine magere Kühe und Esel jeweils abgetrennt in kleinen von Lehmmauern begrenzten Vierecken und kauen auf dem frischen Grün, welches die Frauen aus den Palmengärten geholt haben. Jetzt sitzen sie hier zusammen, erzählen, hüten ihre Tiere oder waschen ihre Wäsche in dem kanalisierten Bach, der in sieben Kilometern Entfernung entspringt und der immer Wasser führt, selbst in Jahren wie diesen, in denen es noch gar nicht geregnet hat.





Im weiteren Verlauf wird er zur Bewässerung der Gärten genutzt. Dorthin führt mich Omar dann auch noch, schön für die Hunde und auch für mich, ich liebe Spaziergänge durch gepflegte Palmengärten. Der große Fluss, Oued Gheris, der die Palmeraie begrenzt, ist nahezu ausgetrocknet und in seinem weißen Kieselbett hat sich ein kleines Rudel wildlebender Hunde zusammengetan. Die Welpen versuchen Freundschaft mit Farah und Leon zu schließen, aber ich weiß nicht, wie ihre Mutter auf die fremden Hunde reagieren wird, deshalb verscheuchen wir sie lieber, Omar hilft mir wieder dabei. Er arbeitet hier als Fremdenführer, hat aber Geschichte studiert, mit dem Ziel, Lehrer zu werden. Doch er bekommt keine Stelle - das große Problem Marokkos sei die Korruption, meint er. Ähnliches haben wir auch schon von einem studierten Juristen gehört, der aber auch keine Arbeitserlaubnis bekommen hat. Ich füge hinzu, dass Marokko noch ein weiteres Problem hat - der Müll, fragt er? Und berichtet, dass die Regierung in diesem Jahr die Produktion von Plastiktüten verboten hat. Wie gut, es tut sich etwas in Sachen Müll, das haben wir auch schon bemerkt.








Am Ende der Tour gebe ich ihm 200 Dirham für die gute und interessante Führung. Das ist sicher nicht zu viel dafür, er scheint sehr zufrieden - wir hatten am Anfang keinen Preis ausgemacht.

Abends bestellen wir Brochettes de Viande von Fatihah. Man hört in der Stadt Musik und Trommeln, ich bin neugierig und möchte mir das gerne anschauen. Doch unser Platz ist wieder verschlossen, und weil er wegen der Abendkälte im Bus zurückgeblieben ist, unternehme ich allein auch keine großen Anstrengungen, um Fatihah aus ihrem Kämmerchen zu holen, damit sie mir aufschließt.




 



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